Aus einem in die Jahre gekommenen Drehhocker mit defektem Sitz entsteht mit diesem neuen Bezug im Webstrickmuster wieder ein echtes Lieblingsstück. Die Deckplatte wird nach dem Stricken gefilzt und wird dadurch strapazierfähiger. Bei dem Strickmuster, das durch seine Wabenstruktur auffällt, ist auf den ersten Blick kein für ein Gestrick typisches Maschenbild zu erkennen. Daher erinnert es an eine Webstruktur. Ein willkommender Effekt: Die Kanten rollen sich nicht ein.
Mein Drehhocker von Ikea erweist mir schon viele Jahre seinen Dienst. Man sieht es ihm an. Der Hockerbezug aus Schurwolle ist eigentlich noch in Ordnung, aber er löst sich am Rand aus der Sitzschale.
Ein neuer Bezug muss her. Dazu bietet sich das Webstrickmuster an, das ich in meinem Journal schon ausführlich beschrieben habe.
Rundes Schnittteil für den Hockerbezug erstellen
Für die runde Fläche will ich die Maschen mit der Software DesignaKnit berechnen. Leider kann das Programm außer Bekleidungsstücke nur rechteckige Schnittteile erstellen. Keinen Kreis! Aber es gibt die Funktion der Rundungen, die normalerweise für Halsausschnitte eingesetzt wird. Nach ein paar Versuchen sieht das Teil nicht mehr wie ein Quadrat mit abgerundeten Ecken aus, sondern kommt einem Kreis recht nahe. Lediglich die Zu- und Abnahmen der Maschen gefallen mir nicht. Die manuelle Bearbeitung ist mir zu zeitaufwendig, da DesignaKnit mir immer wieder seinen Willen aufzwängen will. 🙁
Also wechsle ich zu InDesign. Eine Tabelle als Maschenraster habe ich ja schon für das Illusionsstricken erstellt. Nun lege ich einfach einen Kreis darauf, setze ihn auf transparent und zeichne die Maschenkontur an den Tabellenzellen entlang meinen Wünschen entsprechend ein. Das geht ruckzuck, weil ich hier bestimme wo es entlang geht. 🙂
Den Hockerbezug stricken. Rund oder quadratisch?
Schon bald kann’s losgehen mit dem Stricken. Äh … was mir hierbei nicht gefällt sind die Ränder: Beim Zunehmen fallen die Maschen auf der einen Seite lockerer, auf der anderen Seite fester aus. Und die beiden Fäden der nicht verwendeten Farben müssen bei der Zunahme mitgeführt werden. Das sieht nicht gut aus. Nach wenigen Reihen ribble ich das Ganze wieder auf. Ich entscheide mich für die einfachere Variante: ein Quadrat stricken und später einen Kreis daraus zuschneiden.
Weil die Sitzfläche strapazierfähig sein soll, will ich sie nach dem Stricken filzen. Daher bietet sich das Zuschneiden an.
Noch ein Vorteil: Ich brauche mich beim Zu- und Abnehmen nicht auf das Zählen von Maschen und Reihen konzentrieren, sondern kann ganz entspannt beim fernsehen stricken. Einfach immer nur gerade hoch. Welche Farbe ist jetzt dran? Masche stricken oder Masche abheben? Das kann ich ganz leicht aus dem, was ich auf der Nadel vorfinde, erkennen.
In der Breite habe ich Maschen für ca. 46 cm angeschlagen. Der Hockersitz hat einen Durchmesser von 40 cm. Ich will noch Spielraum für das Schrumpfen beim Filzen haben. In der Höhe stricke ich so lange, bis ich ein Quadrat erhalte.
Das Gestrick filzen
In der Waschmaschine geht das Filzen ohne großen Aufwand. Aber das lässt sich nicht gut steuern. Nicht nur die Temperatur und Waschdauer haben Einfluss auf das Ergebnis, auch die Wassermenge und was sonst noch so alles in der Maschine mitschwimmt spielen dabei eine Rolle. Je voller die Maschine, desto mehr wird die Wolle gewalkt. Bei meinen gefilzten Pullovern, die ich vor einigen Jahren entworfen und gestrickt habe, hatte ich auch die Erfahrung gemacht, dass das Ergebnis mal ganz daneben liegen kann.
Das ist mir hierbei zu riskant, denn ich habe nur dieses eine Teil und auch nicht mehr ausreichend Garn, um einen zweiten Versuch zu starten. Ich entscheide mich deshalb für das Filzen per Hand im Waschbecken.
Zunächst ganz vorsichtig mit der flüssigen Handwaschseife. Aber was gut zu den Händen ist, ist anscheinend auch gut zur Wolle. Es gibt keine Veränderung. Dann nehme ich das flüssige Color-Waschmittel, das ich gewöhnlich für die 40°-Wäsche verwende. Aha! Nach wenigen Bewegungen merke ich wie das Gestrickte weniger beweglich und fester wird. Ich bin auf dem richtigen Weg.
Ca. 15–20 Minuten bearbeite ich das Teil, zwischendurch mache ich Fotos. Ich messe nicht nach, ob die Maße stimmen, sondern beachte den Zustand der Maschen. Zu fest sollen diese nicht werden.
Jetzt mehrmals ordentlich mit klarem Wasser spülen. Dann ab in die Waschmaschine zum Schleudern. Es soll ja schnell trocknen.
Nach dem Filzen und Trocknen habe ich eine Fläche von 44 cm in der Breite und 42 cm in der Höhe. Wie zu erwarten, ist das Teil in der Höhe mehr geschrumpft.
So sieht das Webstrickmuster im ungefilzten Zustand aus.
So sieht das Webstrickmuster nach dem Filzen aus.
Das gefilzte Strickstück zuschneiden
Jetzt muss ein Kreis her. Mit einem Zentimetermaß mit Loch, durch das eine Bleistiftspitze gesteckt werden kann, ließe sich ein Zirkel bauen. Damit könntest du schnell den Kreis auf ein Stück Packpapier aufzeichnen. Aber ich habe an meine Leserinnen gedacht und das Schnittteil für den Ausdruck auf A4-Bögen erstellt. Je 3 Teile für einen Halbkreis. Diese 2× ausdrucken und aneinander kleben.
Den Papierkreis kannst du auf das gefilzte Teil legen und feststecken und die Kontur mit einem Kontrastfaden markieren.
Eine Befestigung für einen Rand in 1‑rechts-1‑links-Rippen
Der Hockerbezug braucht noch einen Rand, der um die Sitzfläche herum gelegt wird, damit er befestigt werden kann.
Aus dem gefilzten Strickstück mit der dichten Maschenstruktur lassen sich nicht mehr so einfach Maschen aufnehmen. Als Hilfsmittel habe ich eine Runde aus Kettmaschen aufgestickt. Entfernung zum Faden: ca. 1 cm nach innen versetzt.
Verwende dabei eine Nadel mit einer »spitzen« Spitze, nicht abgerundet wie es sonst bei Stricksachen angebracht ist. Denn hier gibt es keine Hohlräume mehr, durch die du mit einer abgerundeten Spitze leicht durchstechen könntest.
Jetzt könnte ich entlang des Markierfadens den Kreis zuschneiden. Da der Hockerdeckel gefilzt wurde, würden der Rand wohl nicht aufdröseln.
Ich will aber auf Nummer sicher gehen und versäubere die Kante mit meiner Overlock. Weil keines von meinen Overlockgarnen farblich zu dem Strickgarn passt, nehme ich einen Mix aus vier verschieden farbigen Fäden.
Maschen für den Rand herausstricken
Jetzt geht es daran, die Maschen für den Rand durch die Kettmaschen aufzunehmen. Mit der 8‑mm-Stricknadel wäre es sehr schwierig, unter die Kettmasche zu gleiten und den Faden zu holen. Das Gestrick ist ja ziemlich steif geworden.
Daher setze ich wieder meine Arbeitszungennadel ein. Diesmal die dickere. Den Kopf schiebe ich unter eine komplette Kettmasche (beide Fäden), hole mit dem geöffneten Haken den Faden, ziehe die Arbeitszungennadel zurück und hebe die neue Masche auf die rechte Nadelspitze der Rundnadel.
Nach diesen aufgenommenen Maschen stricke ich weiter 1 rechts verschränkt, 1 links verschränkt. Das heißt die Maschen werden verdreht. Mein restliches Garn der Farbe army reicht für 4 weitere Runden. Nach 3 zusätzlichen Runden mit der Farbe meeresgrün erscheint mir der Rand lang genug. Auf der unteren Seite der Sitzfläche soll ein Gummi den Rand zusammenhalten. Für den Abschluss wähle ich ein Baumwollgarn. 2–3 Runden mit Nadelstärke 6 reichen aus. Ich kette die Maschen auf die elastische Weise ab.
Durch die letzte Baumwoll-Runde ziehe ich das Gummi ein und nähe die Enden flach aufeinander.
Es ist wieder ein schönes Stück aus dem »ollen« Teil geworden. Ich freue mich jedes Mal bei dem Anblick!
Material: Eskimo von DROPS, 100 % Schurwolle
Lauflänge: 50 m/50 g
Verbrauch: je 100 g in den Farben 22 (army), 35 (lime) und 66 (meeresgrün)
Baumwolle: Rest in passender Farbe
Rundstricknadeln: Ø 12 mm in 80 cm Länge
Ø 8 mm in 120 cm Länge
Ø ca. 4,5–6 mm in 120 cm Länge
Muster: Webstrickmuster
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Liebe Felicitas!
Diese und auch alle anderen Entwürfe und tutorials sind extrem schön und professionell gleichzeitg!
Vielen lieben Dank fürs Teilen und viel Erfolg und Freude weiterhin!
Herzlichst,
Eva-Maria